10.10.2022 | 28.10.2022 - erschienen in: Deutsches Handwerksblatt Nr. 17, Regionalausgabe Pfalz Unruhige Zeiten im pfälzischen Handwerk
Im regelmäßigen Turnus befragt die Handwerkskammer der Pfalz 2.500 ausgewählte pfälzische Handwerksbetriebe zur aktuellen und zur erwarteten konjunkturellen Lage. Sorgen bereiten die Preissteigerungen bei Energie, Rohstoffen und Materialien. Jeder dritte Betrieb rechnet mit einer schlechteren wirtschaftlichen Lage.
Ein gutes halbes Jahr nach Beginn des Ukrainekriegs und der damit einhergehenden Energiekrise ziehen die 2.500 repräsentativ ausgewählten Handwerksbetriebe bei der Konjunkturumfrage der Handwerkskammer der Pfalz Bilanz. Die getrübte Zukunftserwartung aus dem vergangenen Frühjahr wird bereits teilweise bestätigt.
Aktuelle Geschäftslage
Im Sommer haben sich die Auswirkungen der Coronapandemie weiter abgeschwächt: Aktuell bewerten 82 Prozent der befragten Handwerksbetriebe ihre derzeitige Geschäftslage als gut oder noch befriedigend. Mit Blick auf die einzelnen Branchen wird allerdings deutlich, dass es erste Einbrüche zu verzeichnen gibt. So sind nur noch 65 Prozent der Nahrungsmittel- und 64 Prozent der Gesundheitshandwerke mit ihrer aktuellen Geschäftslage zufrieden. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Werte damit um über ein Viertel gesunken. Erste Rückgänge sind auch in den folgenden Branchen zu erkennen (Vorjahreswerte in Klammern): Bau: 87 Prozent (97 %); Ausbau: 89 Prozent (93 %); Handwerke für gewerblichen Bedarf: 81 Prozent (89 %); Kfz: 75 Prozent (83 %) und personenbezogene Dienstleister: 72 Prozent (74 %).
Betriebsauslastung und Auftragslage
Aufgrund des Nachfrageüberhangs der letzten Monate war die Betriebsauslastung noch unverändert gut. 72 Prozent (74 %) der Handwerksbetriebe berichten, zu mehr als 70 Prozent ausgelastet zu sein. Die Auftragsvorlaufzeit beträgt im Durchschnitt 13 Wochen (9,7 Wochen im Vorjahr); in den Bau- und Ausbaugewerken sogar 15,1 Wochen (12,7) bzw. 19,2 Wochen (12,2), was teilweise auch mit den anhaltenden Lieferengpässen zusammenhängt. Über ein Drittel der Betriebe (Vorjahr 22 %) verzeichnete im letzten Quartal bereits weniger Bestellungen und Abschlüsse. Sogar der Bereich Bau und Ausbau stellt früher als im letzten Jahr Lücken in seinen Auftragsbüchern fest. Insgesamt sind die Erwartungen an die zukünftigen Auftragseingänge tendenziell pessimistischer. So gehen 41 Prozent (Vorjahr 14 %) von einem weiteren Rückgang aus. Die wachsenden Unsicherheiten haben bereits dämpfende Auswirkungen auf geplante Investitionen und zukünftige Personalplanungen.
Umsatz- und Preisentwicklung
Die Umsatzentwicklung ist nahezu stabil. 43 Prozent (49 %) geben gleich hohe Umsätze gegenüber dem Vorquartal an, bei 24 Prozent (28 %) konnte der Umsatz gesteigert werden. Betrachtet man die einzelnen Branchen, sind hier folgende Handwerke von Umsatzeinbrüchen betroffen: 92 Prozent (43 %) der Gesundheitshandwerker melden, dass ihre Umsätze gegenüber dem Vorquartal gesunken sind. Auch die personenbezogenen Dienstleister waren mit einem Wert von 53 Prozent (32 %) weniger erfolgreich. Ebenfalls untypisch für die Jahreszeit sind die Ausbauhandwerke mit Umsatzausfällen von 26 Prozent (11 %) betroffen. Dies hängt unter anderem mit dem Nachfragerückgang im privaten Sektor durch Preissteigerungen und höhere Zinsen für Wohnungsbaukredite zusammen. Somit hat sich auch der Ausblick auf die kommenden Monate eingetrübt. 24 Prozent (32 %) der Befragten rechnen damit, ihre Umsätze zu steigern, 42 Prozent (52 %) gehen davon aus, dass ihre Umsätze gleich bleiben und 34 Prozent (16 %) erwarten einen Rückgang. 44 Prozent der Nahrungsmittel- und 50 Prozent der Gesundheitshandwerker stellen sich auf einen harten Winter mit weiteren Umsatzeinbußen ein. Auch fast 43 Prozent der personenbezogenen Dienstleister – wozu auch Friseure, Kosmetiker und Fotografen gehören – gehen davon aus, dass ihre Umsätze geringer ausfallen werden.
90 Prozent der befragten Handwerksbetriebe melden gestiegene Material- und Rohstoffpreise, wobei bislang nur jeder zweite Betrieb diese Mehrkosten vollumfänglich an seine Kunden weitergeben konnte. Zwei Drittel der Betriebe geben an, ihre Preiskalkulation inflationsbedingt stetig neu überprüfen zu müssen. Dies wird zur Folge haben, dass handwerkliche Dienstleistungen auch in den kommenden Monaten teurer werden.
Personalbestand und Investitionen
Bei 69 Prozent (71 %) blieb der Personalstand überwiegend konstant, 13 Prozent (14 %) konnten mehr Personal einstellen und bei 18 Prozent (15 %) ist der Personalbestand gesunken. Auffällig ist, dass 47 Prozent (10 %) der Nahrungsmittelhandwerke einen Personalrückgang verzeichnen. Auch in Zukunft scheint hier keine Besserung in Aussicht. Unter anderem erwarten 35 Prozent (0 %) der Nahrungsmittelhandwerke und 21 Prozent (0 %) der Gesundheitshandwerke einen weiteren Personalrückgang, was sich unter anderem auf den anhaltenden Fachkräftemangel zurückführen lässt. Branchenübergreifend erwarten nur 9 Prozent (12 %) der Handwerksbetriebe eine Steigerung der Beschäftigtenzahl.
Nur noch 12 Prozent (15 %) der Unternehmen haben mehr Investitionen getätigt als im Vorjahr. Bei 40 Prozent (25 %) ist die Investitionsbereitschaft gesunken und bei 48 Prozent (59 %) auf gleichem Niveau geblieben. Auch im Folgequartal wollen nur noch 12 Prozent (16 %) ihre Investitionstätigkeiten erhöhen, während bei 48 Prozent (30 %) die Investitionsbereitschaft weiter sinkt. Aufgrund der anhaltenden Preissteigerungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten halten viele Betriebe ihre Investitionen zurück. Somit verliert der Markt seine Dynamik, was sich auch auf weitere Branchen auswirken wird.
Zukünftige Geschäftslage
Die eingetrübte Stimmung spiegelt sich in der erwarteten zukünftigen Geschäftslage wider. Insgesamt schätzen 34 Prozent (11 %) der befragten Betriebe ihre zukünftige Geschäftslage für das Folgequartal eher negativ ein. Bei den Gewerken Kfz, Nahrung, Gesundheit und personenbezogene Dienstleister sind es sogar mehr als 50 Prozent, die ihre zukünftige Wirtschaftslage pessimistischer bewerten.
Die negative Erwartungshaltung bestimmt auch den Geschäftsklimaindikator, der sich aus der aktuellen Geschäftslage sowie den Erwartungen zusammensetzt und als Frühindikator für die künftige Entwicklung dient. Der Indikator liegt im Herbst 2022 bei 96 Punkten und damit – seit der ersten Berechnung 2014 – erstmalig unter der 100 Punkte-Grenze. Bei der diesjährigen Frühjahrsumfrage lag der Indikator noch bei 114 Punkten und im Herbst 2021 bei 124 Punkten.
Fazit
Infolge der Vielzahl von bislang unvorhergesehenen politischen und damit auch wirtschaftlichen Ereignissen und der Last der Ungewissheit sind die Handwerker weiter besorgt. Der seit Jahren bestehende Fachkräftemangel, die steigende Inflation und die Energiekrise gehen nicht spurlos an den Betriebsinhabern vorbei. In den kommenden Monaten müssen die Preise für Handwerksleistungen steigen, da ansonsten die nötigen Umsätze nicht erzielt werden können. Die Politik setzt durch die angekündigten Unterstützungen ein richtiges Signal, die Hilfen müssen jetzt aber so schnell wie möglich in den Betrieben ankommen. Allerdings müssen diese nicht nur den energieintensiven Unternehmen, sondern dem gesamten Handwerk zugutekommen. Gerne unterstützen die Berater der Handwerkskammer die Mitgliedsbetriebe bei der Bewältigung aktueller Schwierigkeiten ebenso wie bei der Erarbeitung neuer Strategien und Prozesse im betriebswirtschaftlichen und digitalen Umfeld. Kontakt: E-Mail: beratung@hwkpfalz.de; Tel: 0631/3677-112.